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Interaktives Seminar |
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Von Oktober 1999 bis März 2000 wurde an der Fachhochschule Schwetzingen - Hochschule für Rechtspflege (kurz Fachhochschule) erstmals das interaktive Seminar "Bank.executor" durchgeführt. Im Rahmen des Seminars traten Studierende des Studiums II an der Fachhochschule in Kontakt mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zwangsvollstreckungsabteilungen ausgewählter Kreditinstitute. Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreditinstitute war es hierbei, einen dem Kreditinstitut fiktiv zustehenden titulierten Anspruch vollstreckungsrechtlich zu realisieren; sie waren Gläubiger des "gespielten" Verfahrens. Die Studierenden befanden sich in der Position des jeweiligen Entscheidungsträgers; je nach Antrag/Auftrag des Gläubigers waren
sie demnach Vollstreckungsgericht, Gerichtsvollzieher, Prozessgericht etc.. Die Studierenden der Fachhochschule Schwetzingen - Hochschule für Rechtspflege sollten in diesem Seminar die intensive Auseinandersetzung mit
dem Vollstreckungsrecht, insbesondere mit dort möglichen Spezialverfahren erlernen und einüben. Inhaltlicher Schwerpunkt lag dabei auf den
Vollstreckungsverfahren des 8. Buches der ZPO, in welchen der Rechtspfleger Entscheidungsträger ist. Auf Seiten des "Gläubigers" nahmen letztlich 11 verschiedene Kreditinstitute aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz teil, aus welchen sich 12 Teams ergaben (1 Kreditinstitut stellte 2 Teams). Aus dem Studium II/1999-2000 waren 14 Studierende der Fachhochschule am Seminar beteiligt. Jedem "Gläubiger" war ein persönlicher studentischer Sachbearbeiter zugeteilt. Zwei Studierende übernahmen als "Springer" die Bearbeitung der Sachakten im Vertretungsfall und unterstützten einige Sachbearbeiter bei der Lösung rechtlich schwieriger Probleme. Die Studierenden wurden fachlich betreut durch die Dozenten Rainer Hock und Bernd Schlesinger Für die Studierenden begann das Seminar am 13. Oktober 1999. Erste Vorbereitungen: "Schuldnerprofil" Ihre erste Aufgabe war es, ein exaktes Profil des Schuldners zu fertigen, um auf Anträge/Aufträge des Gläubigers sachgerecht reagieren zu können. Die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners mussten hierbei u.a. anhand eines Vermögensverzeichnisses möglichst umfassend fixiert werden, da hiervon letztlich abhängen würde,
welche Vollstreckungsversuche des Gläubigers zum Erfolg führen. Da an dem Projekt verschiedene Kreditinstitute teilnahmen, musste die "Entscheidungsfindung" des Vollstreckungsorgans
in einem zuvor abgesteckten Rahmen erfolgen, da nur so die Vergleichbarkeit der von den Gläubigern erzielten unterschiedlichen Ergebnisse zu gewährleisten war. Arbeitsaufteilung Weiterer wichtiger vorbereitender Arbeitsschritt war die interne Arbeitsaufteilung. Da das Seminar über einen längeren Zeitraum lief und eine zeitnahe Reaktion auf Gläubigeranträge gewährleistet sein musste, war eine exakte Zuständigkeitsfestlegung nebst Vertretungsregelung erforderlich um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und eine Überbelastung einzelner Studierender zu vermeiden. Auch war sicherzustellen, dass sich der einzelne studentische Sachbearbeiter besonders bei dem Auftreten rechtlich schwieriger Fragen mit seinen "Kollegen" austauschen konnte (Stärkung der Teamarbeit). Schließlich war schon in der Vorbereitung erkennbar, dass viele Gläubiger in ähnlicher Weise agieren würden. Um hier die vorhersehbaren Synergieeffekte nutzen zu können, wurden auf zwei Personalcomputern Sammelordner (mit allen wichtigen Vorgängen) und Einzelordner (für jeden Sachbearbeiter) angelegt. Jeder studentische Sachbearbeiter konnte so auf bereits vorliegende Unterlagen zugreifen und diese auf die ihm konkret vorliegende Entscheidungssituation anpassen. Um diese Vorbereitungen abzuschließen, benötigten alle Seminarteilnehmer 3 Sitzungen. Spielrunden Am 9. November 1999 startete das Seminar für die teilnehmenden Kreditinstitute. Per Telefax wurde diesen die Kurzbiografie des Schuldners und ein Vollstreckungstitel übermittelt, welcher sie jeweils als Gläubiger einer Forderung von 15.000,-- DM zzgl. Zinsen und Verfahrenskosten, mithin einer Gesamtforderung zum Zeitpunkt des Seminarbeginns in Höhe von 16.582,50 DM auswies. Weitere Daten hinsichtlich des Schuldners lagen keinem "Bankexecutor" vor und durften von diesem auch nicht, etwa anhand fiktiver Kreditunterlagen o.ä., erfunden werden. In der Folge lag es bei jedem einzelnen "Bankexecutor", die titulierte Forderung vollstreckungsrechtlich zu realisieren. Welche Maßnahmen er dabei ergriff, fiel, wie im realen Fall, allein in seine Entscheidungskompetenz (Gläubiger ist Herr des Verfahrens). Abweichend von der Wirklichkeit traten die einzelnen Gläubiger (Kreditinstitute) jedoch nicht untereinander in Konkurrenz um die Vermögenswerte des Schuldners. Abgesehen von der Frage, ob es tatsächlich realistisch wäre, wenn 12 Gläubiger zeitgleich mit der Vollstreckung beginnen würden, führte die Nichtbeachtung genannter Konkurrenz für jeden einzelnen "Bankexecutor" zu rechtlich interessanteren Fallgestaltungen und damit letztlich zu einem besseren Seminarerfolg. Jedem "Bankexecutor" standen zehn Spielrunden zur Verfügung. Jede Spielrunde begann mit der Übermittlung eines Schriftsatzes des studentischen Sachbearbeiters (als Reaktion auf einen gestellten Antrag/erteilten Auftrag) an den "Bankexecutor". Die Spielrunde endete für jeden "Bankexecutor" spätestens am Tag des für diese Runde festgesetzten Postschlusses. Der "Bankexecutor" richtete seinen Auftrag, Antrag oder sonstigen Schriftsatz inhaltlich immer an die Stelle (Vollstreckungsgericht, Grundbuchamt etc.), welche nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen entscheidungszuständig gewesen wäre. Dabei konnte er innerhalb einer Spielrunde nur einen Schriftsatz einreichen. Dem Schriftsatz waren alle Unterlagen beizufügen, welche auch im realen Fall hätten vorgelegt werden müssen. Seminarintern übernahm, wie bereits dargestellt, auf Seite der Fachhochschule der persönliche studentische Sachbearbeiter des "Bankexecutors" die Rolle des jeweiligen Adressaten. Der Sachbearbeiter war demnach Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Prozessgericht usw. Konkrete Vorgehensweise Alle Gläubiger starteten mit einem Mobiliarvollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher. Auf Basis eines sog. kombinierten Auftrages oder aufgrund ausdrücklichen Antrages erhielten alle Gläubiger in der Folge eine
Abschrift des vorliegenden Vermögensverzeichnis des Schuldners. Bis hierher kann man von einem nahezu einheitlichen Vorgehen der Gläubiger sprechen. Doch schon bei dem inhaltlich nächsten Schritt, der Auswertung und
vollstreckungsrechtlichen Umsetzung der aus dem Vermögensverzeichnis gewonnenen Daten, zeigten sich erhebliche Unterschiede in den Vorgehensweisen der Kreditinstitute, was sich mitunter deutlich auf den Vollstreckungserfolg
niederschlug. Von der bloßen Sicherung des Anspruches (Eintragung einer Zwangssicherungshypothek) über die kostenintensive jedoch wenig einträgliche "standardisierte" Forderungsvollstreckung bis zu sehr effektiven Anträgen
und Aufträgen war alles vertreten. Vollstreckungsergebnis Nach Ende der 10. Spielrunde wurde für jedes Team von dem zuständigen studentischen Sachbearbeiter eine Schlussabrechnung vorgenommen. Zinsen und wiederkehrende Vollstreckungserlöse wurden dabei bis zum 29.02.2000 berücksichtigt. Die angefallenen Vollstreckungskosten wurden ebenfalls eingearbeitet. Nach Ablauf der Spielrunden haben alle teilnehmenden Kreditinstitute einen Schlussbericht erhalten, welcher sich in zwei Abschnitte gliederte:
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Seminar den auf Seiten aller Beteiligten hohen Zeitaufwand in vollem Umfang gerechtfertigt hat. Viele Bankvertreter äußerten sich sehr positiv über Inhalt und Durchführung der Lehrveranstaltung und bekundeten ihre Bereitschaft zur wiederholten Teilnahme. Die Studierenden bewerteten die gewonnenen Einblicke in die praktische Arbeit der Gläubiger als für ihre spätere berufliche Tätigkeit in hohem Maße relevant. Das Seminarziel wurde demnach erreicht. |